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Emotionale Selbstregulation lernen

Hintergrundwissen

Emotionale Selbstregulation lernen

Grundlagen, Entwicklung & pädagogische Förderung

Fachartikel

Emotionale Selbstregulation lernen

ABSTRACT

Selbstregulation, die Fähigkeit Gefühle, Gedanken und Verhalten zu steuern, ist eine der zentralen Kompetenzen für die kindliche Entwicklung. Kinder, die früh lernen, mit Stress, Frust und starken Emotionen umzugehen, sind langfristig besser in der Lage, Freundschaften aufzubauen, Konflikte zu lösen und schulische Anforderungen zu bewältigen. Der Artikel beleuchtet wissenschaftliche Grundlagen, zeigt zentrale Methoden zur Förderung von Selbstregulation und gibt praxisnahe Anregungen für Fachkräfte im Alltag.

1. Einleitung

Kaum ein Thema begegnet Fachkräften in Kita, Schule oder sozialpädagogischen Einrichtungen so häufig wie die Frage: „Wie helfe ich einem Kind, wieder runterzukommen?“
Kinder, die ihre Gefühle nicht regulieren können, zeigen oft heftige Wutanfälle, verweigern die Zusammenarbeit oder ziehen sich stark zurück. Für Erwachsene wirken diese Reaktionen schnell wie Trotz oder Ungehorsam. Tatsächlich handelt es sich jedoch meist um Überforderung des kindlichen Nervensystems.

Studien belegen, dass Selbstregulation eine der wichtigsten Grundlagen für Schulerfolg, psychische Stabilität und Resilienz ist (Blair & Raver, 2015). Doch sie entwickelt sich nicht von selbst: Kinder brauchen Vorbilder, Strukturen und gezielte Methoden, um Schritt für Schritt ihre innere Balance zu finden.

 2. Was ist Selbst-Regulation?

Selbstregulation umfasst die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, Aufmerksamkeit bewusst zu lenken und Verhalten flexibel an Anforderungen anzupassen (McClelland & Cameron, 2012). Es geht nicht darum, Gefühle zu unterdrücken, sondern darum, mit ihnen so umzugehen, dass Handlungsfähigkeit erhalten bleibt.

3. Entwicklungs-psychologische Grundlagen

  • Frühe Kindheit: Erste Ansätze der Emotionskontrolle zeigen sich bereits im zweiten Lebensjahr. Kleinkinder versuchen z. B., sich selbst zu beruhigen, indem sie Daumen lutschen oder Nähe suchen.
  • Bindung & Co-Regulation: Sichere Bindungserfahrungen sind entscheidend. Wenn Erwachsene Gefühle spiegeln („Du bist gerade sehr wütend, ich sehe das“) und gleichzeitig Ruhe ausstrahlen, übernehmen Kinder dieses Muster nach und nach selbst (Ainsworth, 1978; Brisch, 2019).
  • Schulalter: Mit wachsendem präfrontalem Cortex entwickelt sich die Fähigkeit, Impulse bewusst zu steuern und langfristige Ziele zu verfolgen (Siegel & Bryson, 2011).
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Folgen mangelnder Selbstregulation

Kinder mit schwacher Selbstregulation …

  • haben häufiger Schwierigkeiten, sich an Gruppenregeln anzupassen,
  • geraten schneller in Konflikte mit Gleichaltrigen,
  • zeigen geringere Frustrationstoleranz,
  • entwickeln öfter Verhaltens- und Lernprobleme (Petermann, 2017).

4. Methoden

zur Förderung emotionaler Selbstregulation bei Kindern

1. Co-Regulation durch ruhige Präsenz

Fachkräfte regulieren zuerst sich selbst, um dann dem Kind als „ruhiges Nervensystem“ zur Verfügung zu stehen. Halte Blickkontakt, sprich ruhig und reduziere Reize. Kinder brauchen ein äußeres Nervensystem, das ihnen hilft, sich zu stabilisieren (vgl. Siegel & Bryson, 2011).

3. Emotionsbenennung und Spiegeln

Benenne, was du beobachtest: „Ich sehe, dein Gesicht ist ganz rot, du ballst die Fäuste. Du bist richtig wütend.“ So lernt das Kind, seine inneren Zustände wahrzunehmen und sprachlich einzuordnen. Eine wichtige Voraussetzung für Selbstregulation.

2. Körperorientierte Übungen (Bottom-Up-Strategien)

Nutze Bewegungsangebote wie festes Stampfen, Druckübungen mit einem Kissen oder Bodenkontakt. Diese helfen, physiologische Übererregung abzubauen. Besonders wirksam bei jüngeren oder traumatisierten Kindern, deren Kortex in Stresssituationen nicht zugänglich ist.

4. Strukturierte Rituale zur Selbstberuhigung einführen

Erarbeite mit dem Kind kleine Tools wie eine „Ich-beruhige-mich-Box“, Atemübungen oder ein festes Rückzugsritual (z. B. Kissenhöhle, Klangschale, Timer). Wichtig ist die Wiederholung in ruhigen Momenten, damit das Kind in Stressphasen darauf zurückgreifen kann.

5. Pädagogische Strategien zur Förderung

  •  Gefühlsinseln im Alltag schaffen: Bücher, Puppen, Gesprächskreise zur Emotionsbenennung
  • Reizpegel reduzieren: Weniger Lärm, visuelle Reize, Ablenkung
  • Ruheorte einrichten: z. B. Rückzugsecken oder „Fühl-dich-sicher“-Plätze
  • Impulse spielerisch üben: Stopp-Spiele, Trommel-Stopp, Bewegung – Pause – Bewegung
  • Atemübungen oder „Gefühls-Ampel“ einführen: Körperlich spürbare Techniken zum Runterfahren
  • Kontinuierliche Beziehungspflege: Ein Kind kann sich nur regulieren, wenn es sich gehalten fühlt.

➤ ähnliche Fachartikel: Überbehütung vs. Selbstständigkeit 

➤ zu den praktischen Übungen: 5 Übungen zur Förderung der Selbstregulation

Fazit

Selbstregulation ist keine Fähigkeit, die Kinder „einfach haben“ sie ist eine entwicklungsabhängige Kompetenz, die Zeit, Geduld und gute Begleitung braucht. Wer weinende, schreiende oder schnell überforderte Kinder begleitet, sollte nicht nach Disziplin streben sondern nach Verbindung, Sicherheit und Verständigung. Denn genau hier reifen die neuronalen Netzwerke, die langfristige Selbststeuerung ermöglichen.

Emotionale Selbstregulation

Zusammenfassend

Kernaussagen

➤ Selbstregulation ist Basis für Lernen und Resilienz.
➤ Kinder brauchen Co-Regulation und klare Strukturen.
➤ Kleine Übungen wirken stark im Alltag.

5 Praxis-Insights

• Atemübungen beruhigen schnell.
• Gefühlsampeln erleichtern Ausdruck.
• Grounding bringt ins Hier & Jetzt.
• Bewegung löst Anspannung.
• Erwachsene sind Co-Regulator:innen und Vorbilder!

3 Do’s für Fachkräfte

1. Gefühle spiegeln
2. Routinen schaffen
3. Pausen einbauen

2 Warnsignale

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