✦ ADHS
Wenn der Alltag kippt
Aufmerksamkeits‑ Defizit‑, Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einfach nur viel Energie?
Es ist früh am Morgen, du willst gerade den Frühstückstisch decken – und dein Kind rennt bereits durch die Küche, singt, hüpft, klettert, redet ohne Pause. Kaum hast du etwas gesagt, ist es schon wieder beim nächsten Abenteuer. Du liebst seine Energie – und gleichzeitig bist du erschöpft.<br>
Viele Eltern kennen diesen inneren Konflikt: Wie begleite ich ein Kind, das scheinbar niemals stillstehen kann, ohne selbst den Verstand zu verlieren?
Was du JETZT tun kannst: 3 Akutinterventionen
Bewegung bewusst kanalisieren
Wenn dein Kind überschäumt, lenke die Energie statt sie zu stoppen: „Spring zehnmal auf der Stelle!“ oder „Hol den Ball und wirf ihn dreimal an die Wand.“
→ So bleibt Bewegung erlaubt, aber kontrolliert. Das Gehirn bekommt die dringend benötigte Reizverarbeitung.
Mini-Pausen statt Ruhebefehle
Statt „Jetzt bleib endlich sitzen!“ besser: „Wir setzen uns zwei Minuten hin und zählen, wie oft du tief atmen kannst.“
→ Strukturierte Mikropausen helfen Kindern mit ADHS, ihre Selbstregulation zu trainieren, ohne sich bestraft zu fühlen.
Gemeinsame Körper-Reset-Übung
Stell dich neben dein Kind, sag: „Wir machen den Roboter aus!“ – beide lassen die Arme hängen, atmen tief, bewegen sich langsam.
→ Diese Co-Regulation über Nachahmung stabilisiert das Nervensystem.
Paradoxe Intervention – Den Impuls positiv nutzen
Versuche einmal, nicht gegen die Bewegung, sondern mit ihr zu arbeiten.
Anstatt Stillstand zu fordern, erlaube gezielte Bewegung als Ventil. Kinder mit ADHS brauchen mehr Input, um sich zu regulieren.
Wenn du das akzeptierst, entsteht plötzlich weniger Machtkampf und mehr Kooperation.
Braucht ihr gerade schnelle Hilfe?
Im kostenlosen SOS-Eltern-Guide findet ihr die besten Erste-Hilfe-Tipps für akute Erziehungssituationen – kompakt, einfach und sofort anwendbar.
Warum das funktioniert
Kinder mit ADHS erleben die Welt intensiver – Geräusche, Bewegungen, Gefühle, Gedanken. Im Gehirn laufen viele Reize gleichzeitig ein, ohne dass der präfrontale Cortex (das „Steuerzentrum“) sie ausreichend filtern kann. Das bedeutet: Jeder kleine Impuls löst eine Reaktion aus, bevor das Denken nachkommt.
Bewegung ist daher kein Trotz oder Ungehorsam, sondern eine unbewusste Selbstregulation. Das Kind versucht, durch körperliche Aktivität die innere Spannung abzubauen, den Dopaminspiegel zu stabilisieren und Reize zu sortieren. Studien zeigen, dass Bewegung die Ausschüttung von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin erhöht, genau jene Botenstoffe, die bei ADHS oft im Ungleichgewicht sind (Barkley, 2020; Ratey, 2008).
Wenn Eltern also Bewegung zulassen – statt sie sofort zu unterbinden – passiert im Körper des Kindes etwas Wichtiges:
• Die überschüssige Energie bekommt ein Ziel.
• Der Reizpegel sinkt.
• Die Konzentration steigt wieder an.
Gleichzeitig wirken Co-Regulationsstrategien (wie gemeinsam atmen, „Roboter aus“-Übung, Nachahmung) über die Spiegelneuronen: Das Nervensystem des Kindes orientiert sich an der Ruhe und Körperhaltung der Bezugsperson. Das hilft, den Übergang von Hyperaktivität zu innerer Beruhigung überhaupt erst zu lernen.
Langfristig entsteht daraus eine Form von Selbstwirksamkeit: Das Kind merkt: „Ich kann mich beruhigen, ohne geschimpft zu werden.“
Und genau das ist die Basis jeder emotionalen Entwicklung.
4 Alltagstipps für dich
Damit dein Kind zur Ruhe kommt und positive Energie nutzt
1. Bewegung einplanen
Morgens 10 Minuten Rennen oder Hüpfen einbauen, bevor der Alltag startet.
3. Sensorische Hilfen
Knautschball, Kaugummi, Sitzkissen oder Barfußlaufen ermöglichen Reizabbau ohne Chaos.
2. Rituale nutzen
Gleiche Abläufe schaffen Orientierung („Erst rennen, dann anziehen“)
4. Selbstschutz
Gönn dir Pausen – ein überfordertes Nervensystem hilft niemandem.
Was anderen Eltern geholfen hat
„Früher hab ich nur versucht, ihn ruhig zu halten. Jetzt planen wir jeden Tag Bewegungspausen – und plötzlich läuft alles leichter. Ich sehe ihn anders: nicht anstrengend, sondern lebendig.“
(Mutter eines 7-jährigen Buben mit ADHS)
Wann du genauer hinschauen solltest
- Wenn dein Kind sich selbst verletzt oder in gefährliche Situationen rennt.
- Wenn es kaum Schlaf bekommt oder im Alltag sozial ausgeschlossen wird.
- Wenn du dich dauerhaft überfordert fühlst – bitte professionelle Hilfe (Kinder- und Jugendpsycholog:in, Fachärzt:in für Kinderpsychiatrie).
Fazit
Du bist nicht allein und dein Kind ist kein „Problemkind“
Wenn dein Kind ständig in Bewegung ist und nicht abschalten kann, heißt das nicht, dass du etwas falsch machst oder dein Kind „nur faul“ ist. Es ist Hinweis darauf, dass anders gearbeitet und begleitet werden muss mit Verständnis, Struktur und passenden Angeboten.
Deine Rolle: Begleiterin oder Begleiter, Netzwerker/in zwischen Alltag, Schule und möglichen Fachstellen. Du bist nicht allein. Jeder kleine Schritt zählt und gemeinsam könnt ihr Wege finden, wie die Energie deines Kindes seine Stärke wird statt Dauerstress.
Erinnere dich: Nicht das „Stillsein“ ist das Ziel, sondern das „Sicher-Fühlen“ auch in Bewegung.
Das könnte dich auch interessieren
➤ Lies auch: Mein Kind hört nicht – was kann ich tun?
➤ Verwandter Artikel: Emotionale Selbstregulation lernen
Zusammenfassend
Kernaussagen
→ Kinder mit ADHS bewegen sich nicht „absichtlich zu viel“ – sie regulieren sich.
→ Struktur, Bewegung und Co-Regulation schaffen Ruhe.
→ Eltern dürfen aktiv mitgestalten, statt ständig bremsen zu müssen.
Alltagstipps
• Plane tägliche Bewegungspausen auch drinnen.
• Verwende klare Übergangsrituale (Timer, Musik, visuelle Karten).
• Schaffe sichere Bewegungszonen zuhause.
• Halte eigene Grenzen klar und freundlich.
• Nutze körperliche Nähe statt Worte in Stressmomenten.
3 Do’s für Fachkräfte
✓ Lob für Anstrengung statt Ergebnis.
✓ Humor – nicht Strafe.
✓ Realistische Erwartungen an dich selbst.
2 Warnsignale
⚠️ Häufige Verletzungen, Erschöpfung oder soziale Isolation.
⚠️ Eigene Überforderung oder Wut – Signal für Entlastung suchen.
✦ Soforthilfe für stressige Momente
Dein SOS Eltern Notfall Guide
Manchmal braucht es schnelle Hilfe wenn zuhause gar nichts mehr geht. In diesem kostenlosen Guide bekommst du erprobte Sofort-Tipps, die dich und dein Kind wieder runterholen.





